11.06.2010
Ludwig Erhard schrieb 1957 zu Beginn seines Buchs "Wohlstand für alle", dass er als sein wichtigstes politisches Ziel die alte Gesellschaftsstruktur von Arm und Reich beseitigen und eine Gesellschaft mit "breitgeschichteter Massenkaufkraft" erreichen will. Hier seine bemerkenswerten Ausführungen:
"... So wollte ich jeden Zweifel beseitigt wissen, daß ich
die Verwirklichung einer Wirtschaftsverfassung anstrebe, die immer weitere und
breitere Schichten unseres Volkes zu Wohlstand zu führen vermag.
Am Ausgangspunkt stand da der Wunsch, über eine breitgeschichtete
Massenkaufkraft die alte konservative soziale Struktur endgültig zu
überwinden.
Diese überkommene Hierarchie war auf der einen Seite durch
eine dünne Oberschicht, welche sich jeden Konsum leisten konnte, wie
andererseits durch eine quantitativ sehr breite Unterschicht mit
unzureichender Kaufkraft gekennzeichnet. Die Neugestaltung unserer
Wirtschaftsordnung musste also die Voraussetzungen dafür schaffen, daß dieser
einer fortschrittlichen Entwicklung entgegenstehende Zustand und damit
zugleich auch endlich das Ressentiment zwischen 'arm' und 'reich'
überwunden werden konnten. Ich habe keinerlei Anlaß, weder die materielle
noch die sittliche Grundlage meiner Bemühungen mittlerweile zu verleugnen. Sie
bestimmt heute wie damals mein Denken und
Handeln."
Dass die Kluft zwischen Arm und Reich seit damals nicht
verschwunden ist, ist keine Frage. Die Kluft ist seit damals sogar erheblich
größer geworden. Dies soll im Folgenden aber nicht weiter thematisiert werden.
Hier soll das Thema "breitgeschichtete Massenkaufkraft" näher vertieft
werden.
Eine von mehreren Besonderheiten des Zitats von Ludwig
Erhard ist die Tat-sache, dass er nicht von den Einkommen der Bürger, sondern
von deren Kaufkraft spricht. Bei oberflächlicher Betrachtung könnte man schnell
auf die Idee kommen, dass dies doch ein und dasselbe sei. Doch dem ist nicht so.
Das eine hängt zwar mit dem anderen zusammen. Aber es gibt feine, jedoch sehr
gewichtige Unterschiede, insbesondere wenn man versucht, statistische Daten zu
ermitteln. Dies möchten wir nach und nach bei den folgenden Ausführungen mit
einfließen lassen. ...
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...
Wir haben uns in Deutschland seit
der Ära Ludwig Erhard von einer breitgeschichteten Massenkaufkraft immer weiter
entfernt. Und wir entfernen uns noch immer weiter davon.
Wer heutzutage meint, zur Mittelschicht zu gehören, weil er ein (angeblich) durchschnittliches Einkommen besitzt, ist in Wirklichkeit Mitglied einer "kaufkraftbefreiten" Unterschicht.
Den Politikern mögen die falschen Informationen über die Mittelschicht und deren Einkommen recht sein, denn dies sorgt für künstliche Zufriedenheit in der Bevölkerung und sichert die eigene Wiederwahl. Aus wirtschaftspolitischer Sicht sind sowohl die Einkommensstatistiken als auch die Einkommensentwicklungen der breiten Bevölkerung eine Katastrophe. Wohlstand für alle ist längst wieder Geschichte und die Konjunktur steht weiter vor dem Absturz. Möglicherweise steht uns deshalb auch wieder eine politische Katastrophe bevor.